5. Kapitel: Die Welt des kleinen Prinzen

Übersetzung ins Deutsche von Alexander Varell

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Jeden Tag lernte ich etwas Neues über seine Welt und den Beginn seiner Reise. Seine Gedanken kamen langsam und eher zufällig. So erfuhr ich am dritten Tag von der Tragödie der Affenbrotbäume. Auch dies verdanke ich dem Schaf, denn der kleine Prinz fragte mich ganz unverhofft, als wäre er von schweren Zweifeln geplagt:

  • »Es stimmt doch, dass Schafe Sträucher fressen?«
  • »Ja. Das ist wahr.«
  • »Ah, da bin ich aber froh!«

Ich verstand nicht ganz, warum es so wichtig war, dass Schafe kleine Sträucher fressen. Aber der kleine Prinz fügte hinzu:

  • »Dann fressen sie bestimmt auch Affenbrotbäume?«

Ich erklärte dem kleinen Prinzen, dass Affenbrotbäume keine Sträucher sind, dass sie so groß wie Kirchen wären. Selbst wenn er eine ganze Herde Elefanten mitbrächte, würden sie einen Affenbrotbaum nicht fressen können.

Der kleine Prinz – Elefanten auf einem winzigen Planeten

Meine Idee mit den Elefanten brachte ihn zum Lachen:

  • »Vielleicht sollte man sie übereinander stellen …«

Aber dann kam ihm ein kluger Gedanke:

  • »Bevor die Affenbrotbäume groß werden, beginnen sie klein zu wachsen.«
  • »Das ist richtig! Aber warum willst du, dass dein Schaf kleine Affenbrotbäume auffrisst?«

Er antwortete: »Schon gut! Lass‘ es!« Er sagte es gerade so, als wäre es die normalste Sache von der Welt. Mich aber kostete es die größte geistige Anstrengung, diese Sache zu verstehen.

Tatsächlich gab es auf dem Planeten des kleinen Prinzen, wie auf allen Planeten, gute Pflanzen und schädliche Pflanzen. Und deshalb auch gute Samen von guten Pflanzen und schädliche Samen von schädlichen Pflanzen. Samen aber sind unsichtbar. Sie schlafen geheimnisvoll in der Erde, bis es einem von ihnen gefällt aufzuwachen. Dann reckt er sich und streckt zunächst einen reizenden kleinen harmlosen Zweig zaghaft der Sonne entgegen. Handelt es sich dabei um einen Zweig von Radieschen oder einen von Rosen, kann man ihn wachsen lassen, wie er will. Wenn es sich aber um eine schädliche Pflanze handelt, muss man sie schon als Spross herausreißen. Auf dem Planeten des kleinen Prinzen gab es schreckliche Samen … Das waren die Samen der Affenbrotbäume. Der Boden seines Planeten war ganz überdeckt von ihnen. Und wenn es zu spät ist, wird man einen Affenbrotbaum dort niemals mehr los. Er erstreckt sich über den ganzen Planeten und durchbohrt ihn mit seinen Wurzeln. Und wenn der Planet zu klein ist und zu viele Affenbrotbäume auf ihm wachsen, kann er explodieren.

Der kleine Prinz gräbt einen Affenbrotbaum aus

»Es ist eine Frage der Disziplin«, erzählte mir der kleine Prinz später. »Wenn du deine Morgentoilette beendet hast, musst du dich gleich an die Pflege deines Planeten machen. Die Triebe der Affenbrotbäume muss man so bald wie möglich ziehen, sobald man sie von den Rosensträuchern unterscheiden kann. Wenn sie jung sind, kann man sie kaum voneinander unterscheiden. Dies ist eine sehr mühsame Arbeit, aber auch sehr einfach.«

Und eines Tages riet er mir, dass ich eine schöne Zeichnung davon machen solle, damit die Kinder in meiner Heimat es auch ja richtig in den Kopf bekommen würden.

»Wenn sie eines Tages auf Reisen gehen«, sagte er mir, »könnte ihnen das nützlich sein. Wenn man seine Arbeit auch mal einfach bleiben lässt, ist das kein Problem. Aber bei einem Affenbrotbaum führt das immer zur Katastrophe. Ich kannte einmal einen Planeten, auf dem ein Faulpelz lebte. Er hatte drei Sträucher übersehen …«

Der kleine Prinz – Der Planet mit den Affenbrotbäumen

Und so zeichnete ich diesen Planeten, wie ihn mir der kleine Prinz beschrieb. Ich mag es nicht, den Ton eines Moralisten einzunehmen. Aber die Gefahren, die von Affenbrotbäumen ausgehen, sind so wenig bekannt, und die Gefahren auf einem Asteroiden sind so beträchtlich, dass ich mich dieses eine Mal aus der Reserve locken lasse. Darum sage ich: »Kinder! Hütet euch vor Affenbrotbäumen!« Um meine Freunde auf diese unbekannte Gefahr aufmerksam zu machen, die ihnen wie auch mir droht, habe ich sehr lange an meiner Zeichnung gearbeitet. Die Lehre, die ich damit gebe, ist aller Mühe wert. Ihr fragt euch nun vielleicht: Warum sind in diesem Buch nicht noch andere so großartige Zeichnungen enthalten wie die der Affenbrotbäume? Die Antwort darauf ist sehr einfach: Ich habe es versucht, aber es wollte mir nicht gelingen. Als ich die Affenbrotbäume zeichnete, war ich von einem Gefühl größter Bedeutsamkeit belebt.

Die vorliegende Übersetzung ist urheberrechtlich geschützt. Der Gebrauch des Textes ist ausschließlich für private Zwecke, für eine nichtkommerzielle Nutzung gestattet. Eine kommerzielle Nutzung der Inhalte ganz oder in Teilen ist ausgeschlossen und ist nur nach ausdrücklich schriftlicher Genehmigung des Urhebers gestattet.

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